Flüchtling erzählt am Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium Windsbach seine Geschichte

Windsbach, Montag, 07.12. 2015. – Etwas müde sieht er zunächst aus, der junge Afrikaner D. Hailemichael, der da morgens um acht zusammen mit seiner Begleiterin Birgit Mair vom Nürnberger Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) in der Mensa des Johann-Sebastian-Bach-Gymnasiums (JSBG) Windsbach sitzt. Aber sobald es losgeht, wirkt er absolut präsent. Wenn der ehemalige Informatikstudent von seiner dramatischen Flucht aus Äthiopien berichtet, kann man im Raum eine Stecknadel fallen hören. Freundlich lächelt er den etwa 80 Zwölftklässlern des JSBG samt ihren Lehrkräften zu, während er seine Lebensgeschichte erzählt. Doch manchmal verschwindet sein sympathisches Lächeln auch mal kurz. Denn seine Geschichte ist eine Geschichte des Schreckens.
Der junge Mann und seine Begleiterin waren von der Fachschaft Religion am Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium Windsbach eingeladen worden. „Unsere Schüler werden derzeit medial überflutet von Bildern, Zahlen und vorgefertigten Meinungen zum Thema ‚Flüchtlinge‘. Wir wollten, dass sie die Möglichkeit haben, sich selbst eine Meinung zu bilden“, so Pfarrer und Religionslehrer Axel Manseicher. Und daher habe man in der Fachschaft Religion nicht lange gezögert, als das ISFBB die Veranstaltung „Refugees Welcome?!“ („Flüchtlinge Willkommen?!“) anbot, bei der Betroffene aus erster Hand davon berichten, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein.

RefugeesWelcome
Zum Einstieg an diesem Morgen gibt Birgit Mair anhand einer Powerpoint-Präsentation mit interessanten Zahlen, Fakten und Bildern einen Einblick in den Themenbereich Flucht und Asyl. Schon hier wird manche falsche Vorstellung ein wenig zurechtgerückt.
Dann ist der junge Mann aus Äthiopien dran. „My life is complicated“ – „Mein Leben ist kompliziert“ – diesen Satz wird D. Hailemichael am Ende der eineinhalbstündigen Veranstaltung sagen, und wer zuvor genau zugehört hat, dürfte verstanden haben, was er damit meint: Mehrere Gefängnisaufenthalte, Bespitzelung, Folter, Morddrohungen – all das, weil er in seinem Heimatland der ethnischen Minderheit der Oromo angehört und Teil der politischen Opposition ist. Am Ende muss er fliehen, um sein Leben zu retten. Mehr als ein Jahr lang ist er auf dem Weg, erst durch Afrika, dann von Libyen über Italien und Frankreich nach Deutschland. Oft zu Fuß, manchmal mit dem Auto. Die Autos gehören meist Schleppern, denen er insgesamt mehrere Tausend Euro bezahlen muss, damit sie ihm helfen. Doch was heißt helfen? Auch die Schlepper drohen, beleidigen, treten, prügeln.
Endlich in Deutschland angekommen, beginnt die übliche Geduldsprobe: Behördenmarathon, tonnenweise Formulare, Auflagen, Fristen. Und Arbeitsverbot, obwohl der Äthiopier einer Beschäftigung nachgehen möchte. Aussichten für die Zukunft? Erfolgschancen des Asylantrags? Ungewiss. Asyl zu beantragen, kann ganz schön nervenaufreibend sein. Auch das lernen die Schülerinnen und Schüler heute.
Am Ende der 90 Minuten hat man das Gefühl, etwas mehr von der Situation eines Flüchtlings verstanden zu haben. Und das sicher nicht zuletzt deshalb, weil hier eben kein Fernsehbild sitzt, keine Statistik, sondern ein junger Mensch aus Fleisch und Blut, der frei und offen erzählt, was das Erlebte mit ihm macht. Oder, wie es ein Zuhörer danach ausdrückt: „Die Flüchtlingskrise hat heute ein Gesicht für mich bekommen.“
Man wünscht diesem Gesicht, dass es bald wieder lachen kann.

Für die Fachschaft Religion: Pfr. A. Manseicher